Es ist schon immer etwas Besonderes. Schon bei der Einfahrt in das malerische Gstaad im Berner Oberland sieht man, dass das kommende Wochenende im Zeichen der guten Countrymusik steht. Marcel Bach und sein Team riefen wie in jedem Jahr die Countryfans aus nah, fern und ganz fern zur mittlerweile 29ten Country Night in die Schweiz.
Die angereisten Besucher können sich heuer auf Tex-Mex, Bluegrass und traditionellem Country von Newcomern und „alten Hasen“ der Countryszene freuen. Am Freitag und am Samstagabend erlebt der Konzertbesucher zwar die gleichen Künstler, aber nicht immer das gleiche Programm.
Den Anfang macht eine sympathische Künstlerin aus San Antonio, Texas. Stefanie Urbinia Jones startet pünktlich mit ihrer Band in ihr ca. 60-minütiges Set aus einer Mischung aus Tex-Mex, New-Country und etwas Blues, gerne auch mit spanischem Text, wie beispielsweise der Klassiker „Besame mucho“. Doch zunächst wird mit ihrer Single „Vamonos“ ihre Herkunft musikalisch klar definiert. Die Nähe zu Mexiko und ihre Liebe zu Mariachis werden in nahezu jedem ihrer Titel deutlich. Stefanie überzeugt bei Balladen wie dieser mit einer wunderbaren Stimme. Immer wieder kommt das perfekte Zusammenspiel von Patterson Barrett an der Lead Gitarre und Gregory Barrett am Keyboard zur Geltung. Voller Stolz erzählt sie dem Publikum von ihren Besuchen in der Dancehall in Luckenbach. Sie war damals noch ein Kind und mit ihren Eltern oft dort gewesen. So musste der Barmann der Dancehall immer auf die kleine Stefanie aufpassen, wenn Mama und Papa auf der Tanzfläche ihre Kreise zogen. Auch ihre Vorbilder sind nicht von der Hand zu weisen. So spielt sie eine Tex-Mex-Version des Patsy Cline Titels „Walking after midnight“ und auch in einer Hommage an Loretta Lynn den Titel „You ain’t woman enough (to take my man)“. Ihre Stunde Spielzeit vergeht wie im Fluge und schon verabschiedet sich die sympathische Texanerin mit Band vom Publikum. Lang anhaltender Applaus und Standing Ovations sorgen dafür, noch eine Zugabe von Stefanie Urbinia Jones zu bekommen. Nun wird schnell umgebaut und nach einer kurzen Pause geht es weiter im Programm.
Als zweiten Act erleben wir einen Newcomer aus der Szene. Mo Pitney ist mit seiner Band bereit, das Publikum im Galazelt die kommenden 60 Minuten zu unterhalten. Dabei werden sowohl Lieder aus seinem Debutalbum „Behind this guitar“, als auch Coversongs gespielt. Mit an Bord hat er seinen Bruder Blake am Bass und seine Schwester Holly an der Gitarre, ferner Lou Toomey an der Lead Guitar, Dan Galysh an der Pedal Steel und Herb Shucher, der am Schlagzeug den Takt vorgibt. Mos Geschwister Holly und Blake sind Zwillinge und feiern am Freitag ihren Geburtstag in Gstaad. Holly hat eine wunderbare Stimme, was sie bei einem Duett mit Mo eindrucksvoll beweist. Beide bringen den Vern Gosdin Song „Til the end“ in musikalischer Perfektion zu Gehör. Stolz erzählt Mo von seiner Premiere in der Grand Ole Opry. Es sei ein tolles Gefühl, wenn man dort in diesem legendären „Circle“ stehe und für das Publikum performe. Ein Titel, den man in der Opry schon fast spielen muss, sei „Don’t you ever get tired of hurting me“ von Ronnie Milsap – nicht nur in der Opry, auch in Gstaad. Den Song „Farmers Daughter“ widmet er seiner Frau und Tochter, welche er mit über den großen Teich gebracht hat. Mo Pitney und seine Band überzeugen mit einer lässigen Spielfreude und Souveränität. Es dauert auch nicht lange, bis er das Publikum für sich gewonnen hat. Voller Stolz erzählt er, wie er damals den großen Merle Haggard getroffen habe. Diese witzige Geschichte war seine Vorlage für den Titel „I Met Merle Haggard Today“, welcher im Anschluss an die Story gespielt wurde. Ganz nebenbei berichtet Mo von dem Titel „Borrowed Angel“. Er habe gehört, dass dieser Titel hier im Radio gespielt wird, er ihn aber gar nicht aufgenommen habe, aber er findet das cool. Selbstverständlich dürfen „Boy And A Girl Thing“ und sein Charthit „Country“ nicht fehlen. Letzterer ist der Schlusstitel auf der Setliste von Mo Pitney und seiner Band. Ganz klar, dass so ein Auftritt mit tobendem Applaus und Standing Ovations honoriert wird. Auch er kommt noch einmal für eine Zugabe zurück auf die Bühne im Galazelt, um mit dem Song „Everywhere“ seine musikalische Reise abzuschließen.
Nun ist sozusagen die „große Pause“ der Country Night. Man hat nun Zeit für einen Snack oder ein Getränk an der Bar, man kann sich CD’s kaufen oder die anderen interessanten Aussteller in der Halle vor dem Galazelt besuchen.
Nach der Pause ist der Moment für die Bluegrassfans in Gstaad. Rhonda Vincent ist in Sachen Country Night kein unbeschriebenes Blatt. Vor zehn Jahren war sie schon einmal hier und insgesamt ist sie bereits das dritte Mal bei der Country Night Gstaad dabei. Mit auf der Bühne steht ihre Band „The Rage“ – allesamt Ausnahmemusiker und Multiinstrumentalisten. Hunter Berry – ein Fiddler vor dem Herrn und mittlerweile auch Rhondas Schwiegersohn, Brent Burke – einer der wohl besten Dobrospieler und ebenfalls Schwiegersohn von Rhonda - und ihre Tochter Sally Berry bilden den „Family Part“ der Band, so Rhonda. Auf der anderen Seite stehen Josh Williams an der Gitarre, Mickey Harris am Kontrabass und Aaron McDaris am Banjo. Zusammen bilden sie „The Rage“, die Begleitband von Rhonda Vincent. Alle Musiker sind Multiinstrumentalisten und beherrschen mehrere Instrumente. So kommt es zwischen den einzelnen Songs oftmals zu regen Wechseln der Instrumente. Viele der Musiker sind auch solo sehr erfolgreich und ein jeder bekommt in den folgenden fast 80 Minuten seine Gelegenheit, sich selber zu beweisen. Mit diesem Act kommen die Bluegrassfans voll auf ihre Kosten. Das Zusammenspiel ist an Perfektion kaum zu überbieten, es gibt immer wieder Szenenapplaus für diverse Solis und die Freude am Spielen ist den Musikern ins Gesicht geschrieben. Wir erleben flotte Stücke wie zum Beispiel den Klassiker „Orange Blossom Special“ – natürlich in einer speziellen Version der Band. Sally Berry entpuppt sich als ideale Duettpartnerin für Rhonda, und mit dem Titel „Mary did you know“ wird schon ein Weihnachtssong vorgestellt. Mit dem A capella-Song „Promised Land“ zeigt die Band ihre stimmlichen Qualitäten und versetzt uns in eine wunderbare Zauberlandschaft. Nun ist Zeit für Mickey Harris und sein Solo. Der Titel „Tennessee“ bewegt nicht nur die Saiten am Bass, sondern auch die Beine der Zuschauer. Spätestens jetzt kann man nicht mehr anders und muss mitwippen und mitklatschen. „All about the banjo“ heißt das Instrumentalstück, in welchem fast jeder Musiker einen Solopart hat. Mit dem „Muleskinner Blues“ wird nun das viel zu frühe Ende des Sets eingeläutet. Es folgen selbstverständlich Standing Ovations und donnernder Applaus für Rhonda Vincent and the Rage. Natürlich dürfen wir uns auf eine Zugabe freuen. Wir erleben einen Titel, der fast auf den Tag genau seinen 50sten Geburtstag feiert. Mit „Rocky Top“ zeigt die Band noch einmal alle ihre Fähigkeiten und danach geht auch ein genialer Bluegrass-Act zu Ende.
Bevor der Headliner die diesjährige CountryNight beschließt, ist es an der Zeit, den Sponsoren zu danken. Marcel Bach tut dies seit Jahren auf seine charmante Art und Weise. Außerdem macht er uns Hoffnung auf weitere Country Nights in den folgenden Jahren. Nächstes Jahr ist das 30jähre Jubiläum der Veranstaltung und die Verhandlungen sind bereits in vollem Gange. Man darf also gespannt sein, welches Lineup sich nächstes Jahr die Bühne im Galazelt teilen wird.
Die Band von Mark Chesnutt betritt nun die Bühne. Wir treffen alte Bekannte wie zum Beispiel Gitarrist Delaney Jackson, Bassist Tim Patterson und Cary Stone an der Akustik-Gitarre. Moderator Jürg Hofer kündigt den Headliner der Country Night Gstaad 2017 an, welcher mit tobenden Applaus vom Publikum in Empfang genommen wird. Der Texaner Mark Chesnutt blickt auf ein vielfältiges Repertoire zurück, aus dem wir in den nächsten 90 Minuten auszugsweise einen Teil davon präsentiert bekommen. Mit „Big D“ und „Blame It On Texas“ wird der musikalische Reigen schwungvoll eröffnet. Bei Titeln wie „Rolling With The Flow“ kommt Pedal Steeler Slim Yamaguchi wunderbar zur Geltung. Auch Mark und die Band strotzen vor Spielfreude, und diese Freude schwappt auch sehr schnell auf das gut gefüllte Galazelt über. Mit kleinen Anekdoten und Schelmereien versteht es Mark Chesnutt, das Publikum blendend zu unterhalten. Nun folgen einige seiner Klassiker wie „Brother Jukebox“ und die Ballade „Too cold at home“. Laut seiner Aussage machen nur wenige Künstler noch richtige Countrymusik – Mo Pitney, Rhonda Vincent und er. Sein aktuelles Album heißt ja „Tradition lives“ und daraus wird unter anderem der Titel „Quarter In My Pocket“ ausgewählt. „I got a girl on drums, how cool ist that?“ – mit diesen Worten stellte er seine Schlagzeugerin Darla Rae Perlozzi dem Gstaader Publikum vor. Die Dame gibt – präzise wie ein schweizer Uhrwerk – dem Rest der Band den Takt vor. Die 90 Minuten Spielzeit von Mark verging viel zu schnell. Gegen Ende der Show hin werden noch einmal alle Register gezogen und mit Uptempo-Nummer wie „Gonna Get A Life“ und „Sure It’s Monday“ wird das Finale eingeläutet. Unter Standing Ovations und donnerndem Beifall verlässt Mark Chesnutt die Bühne. Ohne Zugabe geht aber nichts, daher gibt es noch als allerletztes Bonbon den Song „Bubba Shot The Jukebox“, bevor dann der letzte Vorhang fällt.
Fazit der Country Night Gstaad 2017:
Es war wohl eine der besten Country Nights. Die Musikpalette war vielfältig und so war bestimmt für jeden etwas dabei. Der Sound im Galazelt war stets angenehm und klar definiert. Für viele schockierend war an dem Wochenende der Tod von Don Williams und Troy Gentry. Mo und Mark haben dahingehend ihre Setliste am Samstag etwas umgestellt, um die beiden zu ehren.
Marcel Bach und sein Team haben wieder einen guten Geschmack bewiesen. Nun freuen wir uns schon auf die Country Night 2018 – man darf gespannt sein, wer zum 30jährigen Jubiläum kommt. Es wird bestimmt wieder großartig.
Rainer M. Pech
für Countrymusic24.com
Weitere Fotos der Country Night Gstaad gibt es in unserer Bildergalerie zu finden.
|