Schon bei der Anreise stellt man fest – die Countrynight Gstaad steht wieder an. Überall im Ort sind tolle Westerndekorationen, auf der Promenade sind Menschen mit Cowboyhüten und Stiefeln unterwegs, aus den Läden erklingt Countrymusic. So wird der Besucher schon mal auf das bevorstehende Wochenende eingestimmt. Die Countrynight Gstaad jährt sich in diesem Jahr zum 30sten Mal, ein Jubiläum sozusagen. Am Galazelt findet man ein vertrautes Bild vor. Draußen einige Stände und Fahrgeschäfte, drinnen einige Bars, Catering und ein CD-Stand, der auch die Tonträger der auftretenden Künstler im Sortiment hat. Ferner eine Bühne für die Aftershow-Party und einige andere Darbietungen im Rahmenprogramm. Man fühlt sich wohl.
Am Freitag und Samstag treten die Künstler in derselben Reihenfolge auf. Pünktlich um 18:00 Uhr wird die Countrynight Gstaad am ersten Tag von Jürg Hofer eröffnet. Er begrüßt die Gäste in mehreren Sprachen und gibt einen Ausblick auf das, was noch kommen wird.
Krüger Brothers
Der erste Act des Abends sind die Krüger Brothers aus der Schweiz, die aber mittlerweile in den USA leben. Das Bühnenbild eher unspektakulär – drei Stühle und drei Mikrofone. Was wir in den kommenden 45 Minuten erleben, ist ehrliche, handgemachte, authentische und solide Countrymusic mit einem Hauch Bluegrass, einer Prise Folk und viel guter Laune. Die Krüger Brothers sind die beiden Brüder Jens (Banjo) und Uwe Krüger (Gitarre), ferner Joel Landsberg am Bass. Die drei Musiker überzeugen das Publikum in Windeseile und sorgen auch mit ihren Ansagen gerne für Heiterkeit. Die Krüger Brothers beweisen hier eindeutig, dass es manchmal nicht mehr als eine Gitarre, ein Banjo, eine Bassgitarre und drei Stimmen braucht, um gute Musik zu machen. Dabei gibt es sowohl eigene Werke, als auch Coverversionen zu hören, unter anderem „Don’t think twice, it’s all right“ von Bob Dylan, das auch schon Johnny Cash und Eric Clapton gespielt haben. Ein weiteres Augenmerk legen die Krüger Brothers auf den von ihnen geschriebenen Titel „Carolina in the fall“ – benannt nach dem gleichnamigen Festival. Dieser Song wird nun zur Hymne des Bundesstaates North Carolina ernannt – eine große Ehre für die Schweizer Musiker. Während ihrer Show hört man immer wieder, dass Künstler wie Doc Watson, Bill Monroe oder auch Flatt and Scruggs sie musikalisch inspiriert und beeinflusst haben. Wie kurz doch eine dreiviertel Stunde sein kann, wird beim letzten Titel des sympathischen Trios deutlich, deren Leistung natürlich mit stehenden Ovationen und donnerndem Beifall honoriert wird. Aber lediglich am Samstag ist Zeit für eine kleine Zugabe.
Maddie and Tae
Nach einer kurzen Umbaupause ist die Bühne bereit für zwei Mädels. Maddie & Tae standen für die nächsten 60 Minuten auf dem Programm. Begleitet von drei Musikern an Schlagzeug, Bass und Pedal Steel Guitar, Mandoline und Gitarre betreten die beiden Künstlerinnen die Bühne und glänzen mit Bühnenpräsenz und Ausstrahlung. Mit dem Titel „Ain’t there yet“ wird die nun folgende Stunde eröffnet. Maddie Marlow und Tyler Dye führen souverän durchs Programm. Auch ihre aktuelle Single „Friends don’t“, sowie die Titel „Fly“ und „Shut up and fish“ erklingen im gut gefüllten Galazelt und das Publikum ist stets am Mitwippen oder Mitklatschen. Immer wieder wird klar, wie gut ihre beiden Stimmen harmonieren. Für einige Verwunderung sorgte die Tatsache, dass mitunter ein Gitarrensolo erklang, wobei keine E-Gitarre auf der Bühne zu sehen war. Maddie erklärte dann, dass sich ein weiterer Musiker auf dem Glacier verletzt habe und somit leider nicht mit auf der Bühne stehen könne. So wird sein Part wohl kurzerhand eingespielt. Als Zugabe gibt es noch ihren Hit „Girl in a country song“. Danach werden Maddie & Tae vom Publikum unter Beifall verabschiedet. In der Show am Freitagabend gab es wohl auch einige technische Probleme, wodurch ihr Set drastisch gekürzt wurde. Nur etwa 30 Minuten dauerte hier das Konzert. Am Samstag hingegen haben die Beiden die Stunde vollgemacht.
Midland
Nach etwa einer Stunde wurde der nächste Act im Galazelt von Jürg Hofer anmoderiert – eine Band aus Texas, die vom Stil her als neotraditionalistisch gilt. Schon beim Intro vom Band ist die Stimmung groß, auch deshalb, weil wohl die bekannte Weise „Country Roads“ kurz angestimmt wird. Mit den Klängen zu „Check Cashin‘ Country“ betreten die drei sympathischen Musiker von MIDLAND die Bühne. Wer sich jetzt erhofft hat, sie würden in ihren legendären Country-Outfits auf die Bühne kommen, der hatte leider Pech. Mark Wystrach, Cameron Duddy und Jess Carson waren in legerer Countrykluft unterwegs. Das tut aber der Musik keinen Abbruch, im Gegenteil – begleitet von Luke Cutchen an der E-Gitarre und Robbie Crowell an den Drums, machen die Jungs mächtig Stimmung im Berner Oberland. Immer wieder versuchen sie, die Leute zum Tanzen zu bewegen, was in der bestuhlten Atmosphäre nicht einfach und leider auch nicht gern gesehen ist. Mark, Cameron und Jess entertainen das Publikum im fast vollen Galazelt und haben selber jede Menge Spaß dabei. Man merkt, dass es ihnen Spaß macht und dieser Funke springt auch sofort auf das Publikum über. Mark betont auch, dass sie LIVE spielen und nicht „nach Tracks“ – wohl eine kleine Stichelei auf andere Künstler des Abends. Ein Raunen geht durch die Menge als die Band den Titel „Stand by me“ anstimmt, um nach der zweiten Strophe nahtlos in den Titel „Burn out“ überzugehen. Für „Dixieland Delight“ verlässt Mark Wystach die Bühne und geht durch die Reihen im Zelt. Ein Gänsehautfaktor ist das Bruce Springsteen-Cover von „Tougher than the rest“ - musikalisch hervorragend, und daher auch mit tobenden Beifall honoriert. Dass die Jungs live spielen, zeigt sich bei dem Titel „Make a little“, bei dem Mark auf einmal den Text nicht mehr weiß. Souverän hangelt er sich tapfer durch den Hit. Gegen Ende der 90 Minuten Spielzeit wird ihr Charthit „Drinking Problem“ angestimmt. Spätestens jetzt hält es fast niemanden mehr auf den Stühlen. Zum krönenden Highlight gibt es ein Cover von Bob Seger zu hören. Hier tauschen Cameron und Schlagzeuger Robbie die Plätze. „Turn the page“ wird mit Saxophon eingeleitet. Viel zu schnell vergeht die Zeit mit Midland. Stehende Ovationen und tosender Beifall – das nehmen die fünf Musiker mit von der Bühne. Midland – eine Band mit Headlinercharakter – ohne Zweifel. Traditionell wird vor dem Headliner noch der Organisator der Country Night Gstaad, Marcel Bach, auf die Bühne gebeten, um ein paar Worte zu sagen. Dabei bedankt er sich bei den Sponsoren, ohne die so eine Veranstaltung nicht möglich wäre. Dabei wird Marcel Bach mit einer kleinen Showeinlage überrascht. Die Künstlerin Corinne Sutter zeichnet in kürzester Zeit ein Portrait von Emmylou Harris in Neonfarben auf eine schwarze Leinwand, welches unter dem eingesetzten UV-Licht sehr gut zur Geltung kommt. Die Band Midland betritt ebenfalls noch einmal die Bühne und bedankt sich im Namen aller anwesenden Künstler für die Gastfreundschaft in Gstaad. Für Unterhaltung sorgt eine kurze Schilderung der Bergtour, welche Midland mit Marcel Bach in den letzten Tagen unternommen haben.
Brett Young
Doch nun ist es soweit, der Headliner Brett Young wird angekündigt. Das Licht geht aus, die Intromusik fängt an, die Band setzt ein und mit einmal steht Brett auf der Bühne im Rampenlicht. Bei dem jeweils ersten Titel eines Künstlers ist es gestattet, vor der Bühne zu fotografieren. Bei Brett Young waren es erstaunlich viele junge Mädchen, die ihre Handys und Fotoapparate zückten. Immerhin sorgt Brett hier für etwas jungen Nachwuchs in der Countryszene. Mit „Here tonight“ wird der musikalische Reigen der nun kommenden 90 Minuten eröffnet. Der Künstler aus Kalifornien wird auf der Bühne von Schlagzeug, Keyboard und zwei Gitarren begleitet. Ein Bassist ist bisweilen nicht auf der Bühne, was eine weitere Vermutung wie bei Maddie & Tae nahelegt. Brett versucht ebenfalls das Publikum zum Tanzen zu bewegen, was aber aus oben genannten Gründen nicht so erfolgreich ist. Aber er agiert souverän mit dem Publikum und präsentiert seine Hits wie „Like I loved you“ und „You ain’t here to kiss me“. In einer ruhigen Phase der Show greift Brett zur Gitarre und präsentiert uns unplugged Titel wie „Walking in Memphis“, den „Bartender Blues“ und auch den Leonard Cohen-Klassiker „Halleluja“. Letzterer sorgte wohl bei mehreren Anwesenden im Publikum für Gänsehaut und wurde mit großem Beifall gewürdigt. In der Show am Samstag hat es noch ein Duett mit Maddie & Tae gegeben. Zusammen sangen sie „Whiskey Lullaby“ von Brad Paisley und Alison Krauss. Nun kommt der Rest der Band wieder auf die Bühne und es folgen ein paar Titel aus seinem neuen Album, welches schon bald auf den Markt kommen wird. „Catch“ nennt sich eine flotte Nummer auf diesem Silberling. Mit „Close enough“ kann Brett Young das Publikum ein wenig zum Mitklatschen und Mitsingen animieren. Sein Charthit „In case you didn’t know“ und der Titel „Left side of leaving“ schließen das Set ab. Bei ersterem wendet sich der Sänger an die Männer im Publikum, es sei jetzt an der Zeit für einen „slow dance“. Einige Pärchen trauen sich sogar in den Gängen zu tanzen, unter den Argusaugen des Security-Personals. Als Zugabe erleben wir dann noch seinen aktuellen Charthit “Mercy” und mit “Sleep without you” geht der sympathische Künstler dann von der Bühne.
Fazit der Country Night Gstaad 2018:
Dieses Jahr waren relativ neue Künstler dabei, was der Sache aber nicht schädlich war. Die Country Night ist bekannt dafür, für jeden Musikgeschmack etwas zu bieten. Es gab Altes, Neues, Klassisches, Modernes, Handgemachtes und Synthetisches. Man merkte zwar bei jedem Act einen kleinen Publikumswechsel, aber die Künstler haben allesamt überzeugt, wobei der heimliche Headliner wohl eher Midland hieß. Nun sind wir gespannt, wen wir nächstes Jahr zur 31sten Country Night sehen werden.
Rainer M. Pech
für Countrymusic24.com
|