Wenn im September im beschaulichen Gstaad im Berner Oberland alles im Westernflair erstrahlt, wenn in der Flaniermeile Countrymusic erklingt, wenn man Menschen mit Stetson und Boots durch die Stadt laufen sieht, dann ist es wohl wieder einmal Zeit für die Country Night in Gstaad. Zum 31sten mal ruft Marcel Bach und sein Team wieder einige tausend Fans der schönsten Musik der Welt in die Schweiz. Dieses Jahr wieder einmal mit vier wunderbaren Acts in vier unterschiedlichen Facetten.
Beginnen wir mit Joe Nichols – ein sympathischer Künstler aus Arkansas. Am Freitag eröffnete er die Country Night und bot dem Publikum einen Streifzug durch seine Musikkarriere. Begleitet von Gitarren, Bass, Schlagzeug und Pedal Steel Guitar klingt es nach Countrymusic wie sie sein soll. Gewürzt mit witzigen Sprüchen und Anekdoten führt er durch sein kurzweiliges Programm. Er erklärt dem Publikum, dass er wohl nicht schnell genug rappen könne, um mit der aktuellen Musik mithalten zu können, aber er könne dafür Countrymusic machen. So präsentiert er seine eigene Version des Rap-Songs „Baby got back“ von Sir Mix-A-Lot im Countrygewand. Im Set sind natürlich auch einige seiner „Silly Songs“ wie er selber sagt. Applaus gibt es hier für die Titel „Size Matters“ und natürlich „Tequila makes her clothes fall of“. Mit „I’ll wait for you“ wird es still im Galazelt und man kann das Gänsehautfeeling live spüren. Der Titel „The Impossible“ löst ebenfalls solche Emotionen bei den Besuchern aus. Joe Nichols berichtet von seiner früheren Zeit, als er mit Alan Jackson auf Tour war. Als kleine Hommage an ihn gibt es „Don’t rock the Jukebox“ zu erleben. Für einen Lacher sorgt die Hintergrundgeschichte zu einem seiner Songs, den er schrieb und eines Tages dem Plattenlabel vorstellte. Diese sagten ihm, das würde kein Hit werden. Der Titel wurde daraufhin abgelehnt. Ein paar Wochen später nahm Blake Shelton den Titel auf und es wurde natürlich ein Hit. Dem Gstaader Publikum gefällt der von der Plattenfirma abgelehnte Song „Who are you when I’m not looking“ jedenfalls wunderbar. Auch Joe Nichols und seine Band haben scheinbar Spaß auf der Bühne. Es wird gefeixt und immer wieder fliegen die begehrten Guitarpicks ins Publikum. Joe ist außerdem ein Wiederholungstäter – war er doch 2005 schon mal in Gstaad. Schon damals hatte er viel Spaß im Galazelt gehabt. Es geht weiter mit „Brokenheartsville“ – ein Titel, bei dem das Publikum zum Mitklatschen animiert wird. Mit seinem Charthit „Gimme that girl“ beschließt Nichols sein Set – vorerst. Natürlich dürfen hier die Zugaben nicht fehlen, so gibt es noch „Sunny and 75“ als Bonus, gefolgt von dem George Strait Cover „Troubadour“. Unter Standing Ovations verlässt Troubadour Joe Nichols die Bühne. Ein gelungener Start der Countrynight. Beim Konzert am Samstag war er erst als drittes an der Reihe. Hier gab es noch ein kleines „unplugged-Special“ in der Mitte der Show.
Nach einer kurzen Umbaupause wird von Moderator Jürg Hofer der nächste Künstler angekündigt. Mit Rosanne Cash betritt nun eine „Grand Dame“ der Countrymusic die Bühne im Galazelt. Der Name „Cash“ bürgt schon mal für Qualität und man kann die Ehrfurcht im Publikum förmlich spüren. Wir erleben hier jetzt keine Bühnenshow wie bei den Vorgängern. Nein, es ist vielmehr ein typisches "shut up and listen"-Konzert. Die Musik und ihre glasklare Stimme stehen hier im Vordergrund. Begleitet von mehreren Gitarren, einer Lap-Steel, Schlagzeug, Bass und Klavier entführt uns Rosanne in ihre wunderbare Welt der Countrymusic, angehaucht mit einem klein wenig Folk und auch Gospel. Sie erzählt von einer Liste an Titeln, welche sie von ihrem Vater Johnny Cash bekommen hat. Beide hatten eine solche Liste mit 100 Countrysongs, welche sie zu den besten Titeln zählten und welche man unbedingt kennen müsse. Viele Songs waren auf ihrer und Johnnys Liste gleich, so auch „Long black veil“, wunderbar dargeboten und begleitet von ihrem Ehemann John Leventhal auf der akustischen Gitarre. Mit ihm gibt es auch ein paar Songs nur mit Gitarrenbegleitung - Gänsehaut pur. Zusammen mit ihrem Ehemann ist sie auch ins „Delta“ gefahren, um Inspiration für neue Songs zu bekommen. Rosannes Set ist voll mit emotionalen und sentimentalen Momenten. Bei dem Titel „Etta‘s Tune“ bezieht sie sich auf die Frau von Johnny Cashs Bassisten Marshall Grant, beide – Marshall Grant und Etta May Dickerson - waren 65 Jahre miteinander verheiratet. Im Alter von 23 Jahren schrieb Rosanne den Titel „Blue Moon“. Dieser wird vom Publikum mit tosendem Beifall gewürdigt. Mit „The master calls the roll“ gibt es eine Hommage an ihre Verwandten, welche damals im Bürgerkrieg kämpften, und zwar auf beiden Seiten. Beim Titel „Seven years ache“ wird es wieder schwungvoller und es geht in Richtung Ende ihres Sets. Als letzte Zugabe gibt es noch ein Cover von ihrem Vater. „Tennessee Flat Top Box“ bringt das Publikum zum Stehen und animiert zum Mitklatschen. Unter großem Applaus geht Rosanne Cash von der Bühne. So schnell gehen 70 Minuten vorbei.
Nun folgt eine etwas längere Pause. Man hat nun Zeit für einen Snack im Vorzelt oder einen Streifzug durch die vielen Verkaufsstände für CDs.
Nach der Pause füllt sich das Galazelt langsam wieder und es herrscht reges Treiben auf der Bühne. Mit „Asleep at the wheel“ kommen jetzt die Fans von Western-Swing auf ihre Kosten. Bereits beim Opener „Get your kicks on Route 66“ ist schon Stimmung im Zelt. Ray Benson und seine Bandmitglieder geben kräftig Gas und reißen das Publikum förmlich mit in die Welt der Twin-Fiddles und des Shuffle-Groove. Es geht gleich weiter mit „Miles and miles in Texas“. Den Musikern zuzusehen und zuzuhören macht richtig Laune. Das ist Spielfreude pur, was wir hier erleben. Ray Benson erinnert sich an sein letztes Mal in Gstaad. Auch er stand vor 19 Jahren schon einmal auf den Brettern im Galazelt. Im Laufe des Sets erwähnt Ray immer wieder seine Liebe zu Songs von Bob Wills und Waylon Jennings. Während des Titels „San Antonio Rose“ gibt es immer wieder Zwischenapplaus für die Solis der einzelnen Musiker. Besonders Katie und Dan begeistern die Besucher mit gekonnten Twin-Fiddle-Einlagen. Besonders stolz verkündet Ray Benson, dass die Band „Asleep at the wheel“ nächstes Jahr ihren 50sten Geburstag feiern kann. Es folgen nun Titel wie der „Milkcow Blues“ und das Johnny Cash Cover „Cry cry cry“. Das Duett „I hear you talkin“ von Ray und Katie erntet ebenfalls tosenden Beifall. Ray Benson überzeugt mit Witz und Charme und vor allem seine Mimik, welche auf den Leinwänden immer gut zur Geltung kommt, erntet immer wieder Lacher beim Publikum. Selbiges ist schon die ganze Zeit am Mitwippen und Mitklatschen. Nummern wie „Tiger Rag“ oder „Hod rod Lincoln“ tragen hier zur Stimmung bei. Mit „Big balls in cowtown“ wird der Endspurt des Sets eingeläutet. Bevor die Band die Bühne verlässt, gibt sie dem Publikum noch ein „Happy Trails to you“ mit auf den Weg. Auch eine Zugabe ist noch drin. „Seven nights to rock“ macht noch einmal richtig Stimmung im Galazelt. Danach beginnt die letzte Umbaupause des Abends.
Nach den Dankesworten an die Sponsoren der Country Night und den Worten von Organisator Marcel Bach wird es Zeit für den letzten Act des Abends. Ashley McBryde heißt die junge Dame aus Mammoth Springs, Arkansas. Doch zuerst betritt ihre Band die Bühne. Man könnte meinen, dass es sich bei den Mitgliedern um Holzfäller handelt – alle mit gepflegtem Vollbart. Aber es sind begnadete Musiker, welche der Hauptkünstlerin den Rücken stärken. Wie ein Wirbelwind kommt Ashley nun dazu und schon geht es los. Mit „Living next to Leroy“ wird beim ersten Song schon mal klar definiert, in welche Richtung wir uns bewegen. Es folgt „Looking for a buzz“ und man stellt fest, dass Ashley und ihre Band auch dezentere Songs beherrschen. Sympathisch und locker wirkt sie, als sie von einem Anruf von Brooks & Dunn erzählt. Die beiden wollten Ashley auf ihrer neuen CD haben. Auf dem Album „Re-Boot“ des Country-Duos ist sie bei dem Titel „You’re gonna miss me when I’me gone“ zu hören. Da Ronnie und Kix leider nicht mit auf der Bühne sein können, übernimmt ihr Gitarrist Chris Harris deren Rolle. Ashley erzählt von ihren Erlebnissen als Kind mit ihrem Vater. „A bible and a .44“ performt sie nur mit Gitarre und ohne Band. Gekonnt beherrscht sie es, die Gefühle der Besucher im Galazelt von einer Stimmung in die andere zu transportieren. Dass sie ihre Fans liebt, beweist sie mit dem Satz: „Ihr (das Publikum) seid nicht hier, weil ich hier bin – ich bin hier, weil IHR hier seid“. Weiter geht es mit „American Scandal“ aus ihrem Album „Girl going nowhere“. Auch hier brilliert sie erneut mit ihrer glasklare Stimme. Mit einem leichten Schmunzeln berichtet Ashley von einer Autogrammstunde, als ein kleines Mädchen auf sie zukam und sagte, sie höre sich genauso an wie die Frau, die diese Titel im Radio singt. Der Titel „El Dorado“ macht noch einmal Tempo im Zelt. Leider naht schon das Ende dieses wunderschönen Sets. Als Zugabe kommen wir noch in den Genuss von „Tired of being happy“. Danach verlassen alle Musiker die Bühne und somit geht wieder einmal eine wundervolle Country Night zu Ende.
Fazit der Countrynight:
Wieder einmal hat es Marcel Bach und sein Team geschafft, eine Vielfalt an Musikrichtungen in der Countrynight zu bringen. Alle Künstler haben ausnahmslos überzeugt und mit Ashley McBryde hat die Veranstaltung einen weiteren Juwel über den großen Teich geholt. Freunde des Western-Swing, Folk und Classic Country sind ebenfalls auf ihre Kosten gekommen. Nun freuen wir uns auf die Country Night 2020 – vielleicht wieder mit einem Bluegrass-Act… wer weiß :-)
Rainer M. Pech
für Countrymusic24.com
|